Taktiker oder Prozessverwalter? - Eine kritische Betrachtung der aktuellen Offiziersausbildung
- Stefan Bühler
- 28. Juni
- 2 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 7. Juli
Die aktuelle Führungsausbildung in der Schweizer Armee räumt der taktischen Ausbildung der Offiziere viel zu wenig Platz ein – statt Führern und Taktikern werden Prozessverwalter und Bürokraten herangezogen!
Das lässt sich sehr einfach daran erkennen, dass es in den Offiziersschulen und Führungslehrgängen faktisch keine Taktikausbildungsblöcke gibt, die diesen Namen tatsächlich verdienen. Falls doch, sind diese der persönlichen Initiative einer sehr überschaubaren Anzahl an Offizieren zu verdanken, welche sich aus Eigeninteresse für die Taktikausbildung stark machen – und deren Vermächtnis meist auch nur solange überdauert, wie sie in der jeweiligen Funktion eingesetzt sind. Eine gesamtheitliche institutionelle Vorgabe für diese Art der Ausbildung fehlt hingegen.
Andererseits wird unverhältnismässig viel Ausbildungszeit in die Prozessausbildung gesteckt. Selbstverständlich gehören Prozesse zur Ausbildung eines Offiziers: Sie fördern die Fähigkeit zur strukturierten Analyse und zur Fassung nachvollziehbarer Entschlüsse. Aber eine zu starke Ausprägung von prozessorientiertem, eindimensionalem Denken, wie sie aktuell in den Führungsausbildungen kultiviert wird, erstickt die Fähigkeit zum taktischen Denken. Besonders offensichtlich tritt dies beispielsweise bei der Entwicklung der eigenen Handlungsmöglichkeiten im Rahmen von Aktionsplanungen zu Tage: "Aus ROT folgt BLAU" (oder ausformuliert: Aus der bestimmenden gegnerischen Lageentwicklungsmöglichkeit werden die eigenen Handlungsoptionen abgeleitet) ist eine vollständig reaktive Geisteshaltung, welche im Krieg keine Aussicht auf Erfolg hat – ein Schachspiel, in welchem ein Spieler jeweils nur auf die Züge seines Gegners reagiert, wird früher oder später immer in einer Niederlage enden!
Die zunehmende Tendenz, die Offiziere primär als Verwalter militärischer Prozesse auszubilden, läuft daher Gefahr, das taktische Urteil als eine zentrale Führungsdimension zu vernachlässigen. Dieses kann nur durch intensive, wiederholte Auseinandersetzung mit taktischen Lagen, historischem Lehrmaterial, Kriegsspielen und Entschlussfassungsübungen unter Zeitdruck geschult werden. Denn Taktik folgt keiner Checkliste, sie ist vielmehr eine geistige Haltung. Sie fordert – und fördert – den offenen Geist, die Fähigkeit zum raschen Umdenken und zur Initiative unter Unsicherheit. Diese Eigenschaften lassen sich nicht in Flussdiagrammen und Prozessabläufen abbilden.
Entsprechend braucht es eine fundamentale Neuausrichtung der Offiziersausbildung in der Schweizer Armee. Zukünftig muss mindestens 1/4 der Ausbildungszeit eines Offiziers in eine seriöse Taktikausbildung investiert werden - und dies nicht nur initial in der Offiziersschule, sondern wiederkehrend über den gesamten Werdegang (inklusive Wiederholungskursen). Die dazu notwendige Zeit ist durch eine Reduktion der Bürokratie- und Prozessausbildung freizuspielen.
Denn der Offizier muss nicht primär Prozesse führen können, sondern - und vor allem - das Gefecht!
Major Stefan Bühler, C Think Tank OG Panzer
Die OG Panzer setzt sich aktiv für eine bessere Taktikausbildung in der Schweizer Armee ein. Unsere eigens entwickelten Wargames findest du als Print&Play (kostenlos zum selbst ausdrucken) oder als 3D-Version im Feldkiosk.
Weitere Gedanken zum Thema Taktik findest du in unserem Beitrag zum Kampf der verbundenen Waffen.


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