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Leserbrief an die BAZ zum Artikel "Anekdote aus einem Trümmerhaufen"


Auf den Artikel "Anekdote aus einem Trümmerhaufen" der Basler Zeitung vom Montag 18.01.2016 hat die OG Panzer mit folgendem Leserbrief reagiert:

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Visierstellung korrigieren, die "Anekdote aus einem Trümmerhaufen” schiesst an der Realität vorbei. Die im Artikel beschriebenen Enttäuschungen beim Bedienen der Waffensysteme kennt in der einen oder andren Form jeder pflichtbewusste Soldat, der unter erschwerten Bedingungen im Militär den Einsatz trainiert. Müdigkeit, Zeitdruck und psychische Belastung in einem mit Hightech vollgepackten Panzer können gelegentlich auch stahlharte Soldaten zur Verzweiflung bringen. Die Technik wird dabei gerne blindlings als Sündenbock herangezogen. In Tat und Wahrheit entsteht das Gros der Probleme durch unsorgfältige Wartung und Kontrolle der Systeme, aber auch durch fehlende Zeit und Ressourcen für die Ausbildung. Trümmerhaufen? Ganz im Gegenteil! Man lasse sich von der Zahl 87 nicht blenden. Unter Kennern der Materie ist unbestritten, dass unser Schweizer Panzer 87 WE (WE für Werterhaltung) seit seiner Modernisierung im Rahmen des Rüstungsprogramms 2006 wieder zu den kampfstärksten und modernsten Gefechtsfahrzeugen der Welt gehört. Wer immer noch an die Mär von unzeitgemässen Panzern glaubt, der ist ganz einfach noch nicht in der Realität angekommen.

Leserbrief von Hptm Erich Muff, Vizepräsident OG Panzer, Kdt Pz Gren Kp 29/4

(Kommentar aktualisiert am 22.01.2016)

Siehe die aktuellen Konflikte in der Ukraine, Nordafrika sowie dem nahen Osten, in welche Panzer und gepanzerte Fahrzeuge nach wie vor in grosser Stückzahl eingesetzt werden, oder die Siegesparade vom 9. Mai 2015 in Moskau, in welchem die russischen Streitkräfte eine komplett neu entwickelte Familie an gepanzerten Fahrzeugen der Öffentlichkeit vorstellten.

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Warum wir auf den BAZ-Artikel antworten?

Der BAZ-Artikel ist eine Anekdote. Anekdoten sind meist witzige Kurzgeschichte, um eine Person, soziale Schicht oder eine bestimmte Zeit zu kennzeichnen - im konkreten Fall geht es um die Erlebnisse des Panzersoldaten Serkan Abrecht mit seiner “Matilda”, also irgendwie eine ganz persönliche Angelegenheit. Verstehen wir also keinen Humor? Der Korpsgeist bei den Panzertruppen und insbesondere der OG Panzer ist sehr tief verankert. Wir verstehen durchaus Spass und verstehen die Anekdote als wichtigen unterhaltenden Beitrag. Gleichzeitig ist es uns jedoch ein grosses Anliegen, über einen Kommentar und die Berichterstattung via unseren Blog www.ogpanzer.ch, die relevanten Hintergründe der Themen zu beleuchten. Transparenz und scharfe Analyse, aber auch Ehrlichkeit sind wichtig, um eine komplexe Organisation wie die Panzertruppe weiterzuentwickeln und den gegebenen Herausforderungen anzupassen. Als Fachoffiziersgesellschaft ist es unsere Pflicht, die Diskussion um die Panzerwaffe und das Thema Verteidigung aus der Ecke der “unterhaltenden Textgattungen” oder “Partei-Propaganda” herauszuholen, und der Schweizer Bevölkerung die Notwendigkeit einer ernsthaften glaubwürdige Verteidigungsarmee mit einer starken Panzerwaffe aufzuzeigen. Aus diesem Grund haben wir mit einem Leserbrief auf den Artikel geantwortet und zugleich Serkan Abrecht, den verantwortlichen Redaktor Basler Zeitung und durchaus stolzer Panzersoldat, aufgefordert, gemeinsam mit der OG Panzer einen informativen Bericht oder ein Interview zu erarbeiten, welches einen echten Mehrwert für die Leserschaft der Basler Zeitung generiert. Wir bieten Hand, deutlich mehr und Wichtigeres zu bewegen, als nur die eingerosteten Mundwinkel einzelner schwindender ewiggestrigen Armeeabschaffer.

Wir danken der BAZ für das konstruktive Gespräch.

Für alle, die sich mit subjektiven Wahrnehmung zurecht nicht zufrieden geben, hier weitere Fakten zum Pz 87 WE:

Pz 87 WE - den wahren Wert erkennen

Artikel von Oberstlt i Gst Alexandre Vautravers, Hptm Erich Muff, Oblt Andreas Suter

Der Schweizer „Leo“ - die weltweite Referenz in Sachen Kampfpanzer

Der deutsche Leopard 2 wurde erstmals im Jahr 1979 bei der Bundeswehr eingeführt. Bis heute sind weit über 3'400 Stück in 18 Ländern im Einsatz. Zwei weitere Länder sehen die Einführung des Leopard 2 vor. Der Leopard 2 ist und bleibt die Referenz der internationalen Streitkräfte auf dem Gebiet der Kampfpanzer. Zahlreiche andere Panzer lehnen sich an die Konstruktionen des Leopard an. Der britische Challenger 2 basiert auf einem vergleichbaren Antriebssystem und im amerikanischen M1 A1/A2 Abrams kommt die gleiche deutsche 120mm Glattrohrkanone zum Einsatz wie im Leopard. Im Jahr 1987 hat die Schweiz 35 Vorserienfahrzeuge Panzer 87 Leopard (helvetisierte Version des Leopard 2 A4) beschafft und bis zum Jahr 1994 wurden weitere 345 Stück in Lizenz in der Schweiz hergestellt – mit landesweit über 700 beteiligten Schweizer Unternehmen ist es bis heute das grösste Rüstungsprogramm, das die Schweiz je umgesetzt hat.

Werterhaltung und Herausforderung „Poolsystem“

Aufgrund der betriebsbedingten Abnutzung von Schlüsselkomponenten und weil die Herstellung von Originalersatzteilen über zwanzig Jahre nach Schliessung der Produktionsanlagen sehr kostenintensiv war, unterzog die Schweiz einen Teil ihrer Fahrzeugflotte (insgesamt 134 Fahrzeuge) zwischen 2008 und 2012 einem Werterhaltungsprogramm (WE). Damit wurden die Zuverlässigkeit der Waffensysteme und die Sicherheit der Besatzung verbessert, indem beispielsweise der hydraulische Turmantrieb durch elektronische Komponenten ersetzt wurde - mit dieser Massnahme wurde die Präzision des Waffensystems erhöht und gleichzeitig das Risiko eines Brandes im Innenraum bei einem gegnerischen Treffer erheblich reduziert. Im internationalen Vergleich wird anerkannt, dass die Schweizer Panzer 87 WE Plattform zu den weltweit modernsten und zuverlässigsten Kampfpanzern zählt.

Die Schweizer Panzer sind im Vergleich zum Ausland im Training hohen Belastungen durch die intensive Nutzung ausgesetzt. In ausländischen Armeeformationen stehen die Kampffahrzeuge in der Regel lediglich während einigen Wochen pro Jahr für Übungen im Dienst. Demgegenüber setzt die Schweizer Armee ihre Fahrzeuge sowohl für die Wiederholungskurse (WK) der sechs Panzerbataillone als auch für die Ausbildung in den Rekrutenschulen ganzjährig ein. Aus Spargründen werden die Panzer nicht mehr einer spezifischen Einheit zugeordnet, sondern stehen in einem sogenannten „Poolsystem“ im Einsatz. Dieses System wurde im Jahr 2002 eingeführt und beabsichtigte eine effizientere Nutzung sowie reduzierte Betriebskosten. Den Trainingsverbänden stehen seither nur noch ein Bruchteil – ein Zwanzigstel – der ursprünglichen Fahrzeuge auf den Ausbildungsplätzen Bure, Hinterrhein und Wichlen direkt zur Verfügung. Die anvisierten Verbesserungen durch das Poolsystem werden in einer Gesamtbilanz nur teilweise erreicht. Aufgrund der Systemänderung sind nun einige Fahrzeuge durch die intensive Nutzung deutlich stärker abgenutzt als andere, somit auch anfälliger für Störungen. Zudem sind die Kapazitäten der Logistikbasis der Armee (LBA) derzeit nicht ausreichend, um insgesamt die Einsatzbereitschaft der Flotte weiter zu erhöhen. Weiter stellen die Unterbestände an ausgebildeten Panzerspezialisten (u.a. Panzermechaniker für den Panzer 87 WE) zusätzliche Herausforderungen an die Truppe, um während eines WK defekte Fahrzeuge in kürzester Zeit wieder in zu 100% Instand zu stellen.

Sieht so etwa ein Trümmerhaufen aus?

Konsequente Weiterentwicklung der Technik und der Ausbildung als Schlüssel zum Erfolg

Nur konsequente Weiterentwicklung stellt zukünftig die Einsatzbereitschaft sicher. In rund sechs Ländern, in denen der Leopard 2 heute im Einsatz steht, läuft ein umfassendes Kampfwertsteigerungsprogramm (KAWEST). Diese Programme garantieren den effizienten Weiterbetrieb und die Anpassung der Systeme an die Anforderungen im Einsatz. Für den Schweizer Panzer 87 WE ist in naher Zukunft ebenfalls ein Programm vorzusehen, nur so kann die Verfügbarkeit des heute deutlich kleineren Panzerbestandes bis 2030 sichergestellt werden. Als Antwort auf die im vergangenen Jahr in Russland vorgestellten Panzer der neusten Generation, haben Deutschland und Frankreich bekannt gegeben, im Rahmen einer Weiterentwicklung des bestehenden Waffensystems zusammen zu arbeiten. Jedoch muss mit Blick auf die Entwicklungsdauer von derart komplexen Waffensystemen angenommen werden, dass eine neue für das Gefechtsfeld einsatzbereite Panzergeneration nicht vor dem Jahr 2030 in Europa oder den USA zur Verfügung steht.

Der Panzer ist im Einsatz immer nur so gut wie seine Besatzung. Die Rekrutenschule ist anspruchsvoll und dient dazu, pro Panzer eine vier Mann starke Besatzung als eingespieltes Team zu trainieren. Sehr beachtenswert ist dabei, dass innerhalb von lediglich sechs Wochen aus Bürgern eingespielte Panzerbesatzungen und innerhalb von knapp sechs Monaten einsatzbereite Verbände entstehen. Dies ist nur deshalb möglich, weil die Panzertruppen in der Schweiz über die weltweit modernsten Simulationsanlagen verfügen, von vortrefflichen Instruktoren (Berufsoffizieren und –unteroffizieren) ausgebildet werden und weil die Soldaten mit grossem Engagement ihren Dienst erfüllen. Um dies auch inskünftig gewährleisten zu können, müssen wir uns für den kontinuierlichen Fortschritt unserer Ausbildung und der Waffensysteme einsetzen.

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